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Bis zu 500 Cannabis-Shops in Hamburg? Händler sind bereit

Inhaber Michael Burkhardt im Wundermittel-Store Ladengeschäft

„Bis zu 500 Cannabis-Shops in Hamburg? Händler sind bereit“

Schon lange wird über Legalisierung diskutiert.Marktkenner sehen großes Potenzial: „Die Kiffer möchten aus der Illegalität heraus“.

 

Hamburg. Gut zehn Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger zwischen 18 und 64 Jahren haben in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert. Auf Basis dieser Zahl, herausgegeben von der Informations- und Beratungsstelle Sucht.Hamburg, würden fast 130.000 Erwachsene in der Hansestadt zumindest gelegentlich „kiffen“. Bei den 14- bis 17-Jährigen ist der Anteil laut Sucht.Hamburg mit 16 Prozent sogar noch höher.

Bisher müssen diese Menschen ihren Bedarf illegal bei Drogendealern decken. Das will die Bundesregierung ändern; sie hat angekündigt, Cannabis unter strengen Auflagen legalisieren zu wollen. Zwar sind dafür noch etliche Hürden zu überwinden. Aber manche Marktkenner rechnen damit, dass es schon im nächsten Jahr so weit sein könnte. Etliche Unternehmen auch in Hamburg stehen jedenfalls schon in den Startlöchern, um von der Freigabe profitieren zu können.

Cannabis: Marktkenner rechnen mit baldiger Legalisierung

Bisher hat der Cannabis-Markt drei Segmente. Den mit Abstand größten Anteil hat der illegale Schwarzmarkt. Sein Volumen wird vom börsennotierten Münchner Cannabis-Unternehmen SynBiotic auf knapp elf Milliarden Euro in Deutschland veranschlagt.

In Hamburg gibt es mehr als 20 Geschäfte und Onlineshops, die solche CBD-Produkte, meist in Form von Ölen, im Programm haben. Sie dürfen laut Gesetz nur höchstens 0,2 Prozent des berauschenden Cannabis-Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten und nur an Erwachsene verkauft werden.

 

Cannabis könnte legal enorm viele Abnehmer finden – auch in Hamburg

Laut einer Umfrage für die Stiftung Warentest verwenden etwa zwölf Prozent der Deutschen mehr und minder regelmäßig CBD-Produkte, wobei sich die meisten Kunden davon Unterstützung beim Entspannen, Stresslinderung sowie Hilfe gegen Schlafstörungen versprechen. Michael Burkhardt, Inhaber des Wundermittel.Store an der Hoheluftchaussee, schätzt das entsprechende Marktvolumen in Deutschland auf mehr als eine Milliarde Euro.

Auf der Gastronomie-Fachmesse Internorga in Hamburg hat SynBiotic gemeinsam mit der Systemgastronomie-Gruppe Enchilada aus Gräfelfing bei München ein Konzept für ein deutschlandweites Netz von Cannabis-Stores unter der Marke „Heesh“ für die Zeit nach der Legalisierung vorgestellt.

„Unser Ziel ist es, in allen großen Städten vertreten zu sein“, sagte SynBiotic-Chef Lars Müller. Es seien bereits rund 100 Bewerbungen von potenziellen Franchise-Partnern eingegangen. Müller hält einen Marktstart Ende 2024 oder Anfang 2025 für realistisch.

 

Unternehmen aus Kanada und den USA wollen auf den deutschen Markt

Auch andere große Unternehmen machen sich schon bereit – nicht zuletzt Firmen aus Kanada, denn dort ist der Anbau und Konsum von Cannabis schon seit 2018 erlaubt, ebenso wie in mehreren US-Bundesstaaten. Im Frühjahr 2022 war der kanadische Konzern Greenrise bei dem im CBD-Markt tätigen Start-up Cannacare Health des Hamburger Unternehmers Frank Otto eingestiegen, hatte die Anteile aber kürzlich an die Firma Viromed Chemical aus Pinneberg weiterverkauft.

Derzeit ist allerdings noch nicht absolut sicher, dass die von der Ampel-Koalition angestrebte Legalisierung überhaupt klappt. So ist bisher unklar, wie sie mit den EU-Verträgen, nach denen der Verkauf von Drogen in jedem Mitgliedsland strafrechtlich verfolgt werden muss, in Einklang gebracht werden könnte.

Eine paradoxe Situation wie in den Niederlanden, wo zwar die sogenannten Coffeeshops kleine Mengen von Cannabis verkaufen dürfen, sie sich selber aber auf dem Schwarzmarkt eindecken müssen, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unbedingt vermeiden.

 

Aus medizinischer Sicht ist eine Legalisierung problematisch

Angesichts der juristischen Schwierigkeiten einer Legalisierung des Handels fordert Andreas Gerhold, Vorsitzender der Nutzer-Interessenvertretung Cannabis Social Club Hamburg, ein „pragmatisches Vorgehen“ des Bundes. Für Gerhold bedeutet das: „Wir brauchen eine zweistufige Lösung. Eine Entkriminalisierung der Konsumenten und eine Erlaubnis des Eigenanbaus, mit dem sie sich vor dem Schwarzmarkt und der häufig verunreinigten Ware schützen können, lässt sich sofort und ohne die EU umsetzen.“ Gerhold ist sicher: „Mindestens 95 Prozent, wahrscheinlich eher 98 Prozent der Cannabis-Nutzer pflegen einen verantwortungsvollen und problemfreien Konsum.“

Doch das sehen nicht alle so. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, lehnt eine Legalisierung ab. „Der Konsum von Cannabis ist nicht harmlos. Er kann Depressionen und Psychosen auslösen sowie zu Abhängigkeiten und Entwicklungsstörungen führen – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, argumentiert Reinhardt. Es sei „erschreckend, dass sich ein Gesundheitsminister, der zugleich Arzt ist, für die Legalisierung einer Droge einsetzen muss.“

 

Regulierter Verkauf der Droge kann auch schützen

Nach Auffassung von Christiane Lieb, Geschäftsführerin von Sucht.Hamburg, kann jedoch gerade die Legalisierung einen Beitrag zum Jugend- und Gesundheitsschutz leisten. „Natürlich können psychoaktive Substanzen, zu denen auch Alkohol und Tabak gehören, negative Folgen haben“, sagt Lieb. „Das Ziel muss aber sein, Gefährdungspotenziale zu vermindern.“

Ein regulierter Verkauf von Cannabis gebe die Möglichkeit, den Reinheitsgrad sicherzustellen und den THC-Gehalt zu begrenzen. Lieb ist allerdings gegen die im „Eckpunktepapier“ der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit, als regis­trierter Kunde eines lizenzierten Geschäfts auch per Lieferservice Cannabis von dort beziehen zu können.

In jedem Fall soll es strenge Auflagen für die Verkaufsstellen geben. So ist in dem genannten Papier etwa von Mindestabständen zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen die Rede. Da der Wundermittel.Store von Michael Burkhardt dieses Kriterium nicht erfüllen würde, erwägt er, für einen künftigen Handel mit THC-Cannabis gegebenenfalls einen anderen Standort zu suchen.

 

Cannabis: CBD wirkt womöglich entzündungs- und schmerzhemmend

Bis dahin bleibt er weiter auf CBD-Produkte beschränkt. Die durften zunächst als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden, inzwischen deklarieren die Hersteller sie aber als Aromaöle oder als nicht zum Verzehr geeignete Kosmetika. „Typischerweise werden die Produkte von Frauen ab 40 gekauft, nicht selten auch für ältere Verwandte“, so Burkhardt. „Viele chronisch Kranke haben gute Erfahrungen damit gemacht.“

Doch auch diese Produkte sind nicht unumstritten. „Es gibt zwar Hinweise, dass CBD entzündungshemmend und schmerzlindernd wirkt“, heißt es dazu von der Verbraucherzentrale. Dies sei aber „nicht ausreichend im Rahmen klinischer Studien gesichert“, Fragen zu Neben- und Wechselwirkungen seien noch nicht geklärt. Die Stiftung Warentest rät von den Produkten ab.

Dieser Artikel ist vom www.abendblatt.de

 

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